Dienstag, 18. Dezember 2012

Scott Kelly

Scott Kelly / N

11.12.12 Pauluskirche, Dortmund

Ein Konzert in einer Kirche verspricht immer eine besondere Atmosphäre, zumal wenn es kein umfunktioniertes Gebäude ist, sondern sich auch noch in sakralem Gebrauch befindet. Unterhaltungen wurden fast automatisch sehr leise geführt, es lief keine Musik vom Band und Getränke gab es zwar um die Ecke im Garten, durften aber nicht mit in die Kirche genommen werden.

Pauluskirche

Um 19:15 richtete der Hausherr ein paar warme Worte an seine heutige Gemeinde und warb für die regelmäßig stattfindenden Konzert-Veranstaltungen mit den Worten "Wir bieten hier Klassik, Pop, Jazz und auch sowas wie heute an".

N
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Danach betrat dann der Dortmunder Hellmut Neidhardt alias N die Bühne, nahm auf einem Stuhl Platz und stöpselte seine Gitarre ein. Die folgenden gut vierzig Minuten erfüllte er das Kirchenschiff mit Ambient-Dröhnen, das anfangs an- und abschwoll wie Meeresrauschen, so dass man sich wie in einer Kapelle auf einer Sturm umtosten Klippe vorkam. Doch mit zunehmender Dauer setzte dann doch eine gewisse Monotonie ein, die nach dem Konzert jemand recht treffend beschrieb: " Und dann wechselte der Sound von Ryanair zu Air Berlin". Nichtsdestotrotz ein nicht unspannender Auftritt und eine Musik, die mit optischer Untermalung bestimmt auch länger fesseln könnte.

Scott Kelly

Nach einer kurzen Pause trat dann Scott Kelly ans Mikrofon. Der Sänger/Gitarrist von Neurosis stellte sein im August veröffentlichtes drittes Soloalbum The Forgiven Ghost In Me vor. Auf Platte ist Kellys Musik ein durchaus zwiespältiger Genuss, ist sein Gitarrenspiel doch recht minimal und auch sein Gesang nicht besonders fesselnd. Doch live funktionierte es überraschend gut.


Die ungelenk wirkenden Gitarrenpassagen erzeugten eine fast hypnotische Wirkung, spielte Kelly sie doch mit einer Körperhaltung, als würde er bei Neurosis fette Riffs dreschen. Und seine Stimme erinnerte an Mark Lanegan, allerdings natürlich nicht ganz so ausdrucksstark. Man merkte ihm durchaus an, dass diese Solo-Auftritte für ihn scheinbar immer noch ungewohnt sind, die Kommunikation mit dem Publikum fiel ihm anfangs schwer, vielleicht auch bedingt durch die Kirchenatmosphäre, auch wenn er bereits vor zwei Jahren an diesem Ort aufgetreten war. Dennoch wirkten die in sich gekehrten Momente, in denen er nicht sang, wie ein Rückzug auf bekanntes Terrain.


Bei einem Stück brüllte er fast und dieses donnerhafte Grollen klang so eindrucksvoll, dass man es sich öfter an diesem Abend gewünscht hätte. Stattdessen gab es ein Geburtstagsständchen für seinen Roadie und Mädchen für alles Ansgar, der dem Ort angemessen mit einem The Obsessed-Hoodie am Merch-Stand stand. Und er verzauberte sogar das Publikum mit einem Stück der mit Wino und Steve Von Till auch dieses Jahr erschienenen CD mit Townes Van Zandt-Coverversionen. Tecumseh Valley war für mich jedenfalls der mit Abstand schönste Song des Abends.


Nach einer guten Stunde verabschiedete er sich, ließ sich aber noch zu einer Zugabe bitten. auch hier merkte man die ungewöhnliche Atmosphäre, denn das Publikum hatte scheinbar Hemmungen, lautstark mehr zu fordern. Nachdem dann nach insgesamt 80 Minuten endgültig Schluss war, blieb Kelly noch mit umgeschnallter Gitarre auf der "Bühne" stehen und wunderte sich dann, warum das Publikum immer noch auf den Bänken saß und auf mehr hoffte. Es fehlten einfach die üblichen Rausschmeißer-Indizien wie Saallicht und Musik vom Band.
Ein gutes Konzert mit Musik, die live definitiv besser klang als auf Platte.


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