Sonntag, 23. Dezember 2012

Fehlfarben

Fehlfarben / Peter Hein

20.12.12 Werkstadt, Witten

Keine Atempause, Konzerte werden besucht... Nachdem schon mehrmals dieses Jahr der Vergleich zu Fehlfarben gezogen wurde, nämlich bei den Auftritten von Messer und Keine Zähne Im Maul Aber La Paloma Pfeifen, bot sich tatsächlich noch die Gelegenheit, die Altmeister auf ihre heutige Relevanz zu prüfen.
Im September hatten sie ihr neuestes Album Xenophonie veröffentlicht, auf der Tour dazu hatte ich sie verpasst, aber zum Glück spielten sie noch einmal in der Region, zwar mit Witten in einem konzerttechnisch eher provinziellen Teil, aber immerhin.

Peter Hein

Die kleine Werkstadt bot zunächst ein etwas seltsames Bild, auf der Bühne stand ein Rednerpult und davor lagen verstreut mehrere große Kissen im Raum, die zum Rumlümmeln einluden. Die Erleuchtung setzte ein, als Peter Hein, der Kopf der Fehlfarben, mit Büchern und Zetteln unter dem Arm ans Pult trat und den Abend solo und uninstrumentiert eröffnete. Scheinbar hatte man gedacht, dass man einer Lesung bequemer im Sitzen lauschen konnte, die wenigen Anwesenden ignorierten das Angebot aber geflissentlich. Hein las Passagen aus seinen Büchern und auch bislang unveröffentlichte Passagen vom Blatt. Alles drehte sich dabei um die Musik und das Leben damit, z. B. die Fahrten in die Bochumer Zeche Anfang der 80er  in der dies einer der besten Konzertläden war, den man auch mal aus dem mondänen Düsseldorf besuchte und auch einer der ersten Fehlfarben-Auftritte dort im Vorprogramm der Flaming Groovies. Während der Lesung wirkte Hein etwas unsortiert, entschuldigte dies damit, das er mehr oder weniger direkt aus Istanbul nach Witten gekommen sei und zudem seine Lesebrille nicht dabei hatte. Dennoch schaffte er es auch zeitweise, jene Energie zu versprühen, die er bei Fehlfarben am Mikro zeigt, vor allem in einer Passage über Magdeburg, das er als kleine faschistoide Provinzhölle charakterisierte und sich dabei richtig in Rage redete.

Fehlfarben

Nach einer kurzen Pause, in der endlich die deplatzierten Sitzkissen aus dem Weg geräumt wurden, ging es dann musikalisch um kurz vor halb zehn weiter. Als Sextett kamen Fehlfarben auf die Bühne,.ein umgezogener Hein, neue Hose und neues Hemd, zum Schluss. Es folgte eine wilde Reise kreuz und quer durch die Bandgeschichte, von Monarchie und Alltag bis Xenophonie. Die gut vierzig anwesenden, fast durchweg älteren Semester waren aber zum Glück nicht nur auf Nostalgie-Befriedigung aus, so dass ein Stimmungsgefälle zwischen alten und neuen Songs kaum auszumachen war. Musikalisch sind die "neuen" Fehlfarben durchaus zwiespältig, klingt es doch manchmal etwas stumpf rockend, was aber durch Heins kräftige, immer noch manchmal fast dramatisch überdrehte Stimme rausgehauen wird. Auf Platte wird das oftmals von starken Synthie-Passagen ausgeglichen, doch live durfte Pyrolator Kurt Dahlke dies für meinen Geschmack zu selten zeigen.


Live hatte ich sie zuletzt 2003 gesehen, als sie mit ihrem Comeback-Album Knietief im Dispo auf Tour waren. Damals verzichteten wohltuend sie auf das wohl bekannteste Fehlfarben-Stück Ein Jahr, doch diesmal wurde es gespielt und wirkte deplatziert. Nach einer Stunde wurde Paul zu Grabe getragen und allein mit diesem Song rissen sie alles raus, denn auch nach über 30 Jahren ist seine Magie ungebrochen und zog auch an diesem Abend sofort jeden in den Bann.


Auch in der Zugabe gab es ein weiteres Highlight mit Platz da!, der ersten Single vom neuen Album, einer Abrechnung mit der Kultur-und Medienindustrie, die Peter Hein in Höchstform zeigte, wohl weil es sich um eines seiner Lieblingsthemen handelt. Sogar zu einer zweiten Zugabe ließ sich die Band auf die Bühne bitten und nach dann gut 80 Minuten war dann aber mit Wir warten (ihr habt die Uhr, wir die Zeit) vom letzten Album Glücksmaschinen Schluss und Hein fasste den Abend mit "Klein, aber fein" zusammen.

Fehlfarben

Es war angenehm, wie unprätentiös Fehlfarben den Wechsel zwischen alten und neuen Songs hinkriegten und gerade in puncto Bühnenpräsenz können Jungspunde wie der Sänger von Messer noch viel lernen. Musikalischer gefallen sie mir wie auch Keine Zähne Im Maul Aber La Paloma Pfeifen heute sicher besser als die aktuellen Fehlfarben, aber skurriles Bühnemverhalten (Keine Zähne im Maul...) oder gespielt wirkende Wut (Messer) können es noch nicht mit dem Alterszorn eines Peter Hein aufnehmen.

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