Sonntag, 1. April 2012

Small Beast w/ Dear Reader

Small Beast

w/ Dear Reader / Les Colettes / Botanica

30.03.12 Schauspielhaus, Dortmund

Es mag Leute geben, die Kultur in Dortmund ausschließlich im Sinne von Spielkultur auf dem Rasen des Westfalenstadions verstehen, aber Kulturbanausen gibt es überall.
Seit August 2010 ist Paul Wallfisch musikalischer Leiter am Schauspielhaus Dortmund. Der gebürtige New Yorker machte musikalisch als Mitglied des Cop Shoot Cop-Nachfolgers Firewater auf sich aufmerksam und heimst seit Jahren mit seiner Band Botanica Kritikerlob ein. Neben der musikalischen Leitung für die Aufführungen im Schauspielhaus darf sich Wallfisch scheinbar austoben und so hat er die Veranstaltungsreihe Small Beast ins Leben gerufen. Hier präsentiert er am letzten Freitag eines Monats Künstler in der Theaterkneipe, dem Institut und lässt es sich als Conferencier nicht nehmen, auch selber Musik zu machen.
Zu Gast waren diesmal Dear Reader aus Südafrika und die französische Band Les Colettes, doch zunächst hatte der Gastgeber das Wort. Nachdem sich alle Anwesenden mühsam ein Plätzchen im ausverkauften Raum gesucht hatten, alle rückten zusammen, man setzte sich auf den Boden oder stand gedrängt an den Wänden, setzte sich Wallfisch ans Klavier, umgeben von einem organisierten Chaos aus Textblättern und Notizen und spielte einige Stücke solo, denn der Botanica-Gitarrist, der direkt aus Stuttgart kam, hatte sich dank der Deutschen Bahn verspätet. Ja, Botanica spielten auch, hat Wallfisch seine Bandkollegen doch quasi ins Ensemble des Schauspielhauses integriert und für die gerade laufende Inszenierung von Der Meister und Margarita die Musik geschrieben und als Botanica-Album veröffentlicht.

Botanica
 Gut zwanzig Minuten präsentierte Wallfisch sich als Entertainer und Rampensau, spielte Botanica-Songs, aber auch Coversongs, u. a. von Sandy Denny, ehe es interaktiv wurde. Die Telefonbuchpolka von Georg Kreisler trug er vor und ließ dabei an Hand ausgeteilter Zettel das Publikum lautstark mitsingen. Danach spielten die mittlerweile vollzähligen Botanica, bei denen übrigens zur Zeit Brian Viglione von den Dresden Dolls am Schlagzeug sitzt, einige Stücke, unter anderem mit der Geigerin von Les Colettes als Gast, ehe es eine weitere Überraschung gab. Wallfischs 14jähriger Sohn Roman präsentierte ein eigenes Stück (mit Botanica als Backing-Band) und man spürte den Stolz von Vater Paul, als es dafür lauten Applaus gab (auch wenn der ob der Qualität des Gesangs wohl eher aus Höflichkeit erklang), aber irgendwann muss ja ein werdender Künstler sich vor Publikum trauen und zumindest cool seine Gitarre spielen konnte der Bengel.
Die kurze Einleitung vor den eigentlichen musikalischen Gästen hatte so schon über eine Stunde gedauert und die Luft in der überfüllten Theaterkneipe war zum Schneiden, weshalb Les Colettes auf unsere Anwesenheit verzichten mussten, da wir lieber im Foyer frische Luft schnappten und ein Getränk zu uns nahmen. Die Musik klang nach draußen und sehr gut, präsentierten sie sich live doch dank der Gitarren rauer als auf den folkigen Songs, die man auf ihrer Facebook-Seite hören kann.

Dear Reader
Kurz vor halb eins erklommen dann Dear Reader die Bühne. Statt in Bandbesetzung hatte Dear Reader-Chefin  Cherilyn MacNeil heute nur eine Harfinistin dabei und aus Platzmangel war das sperrige Instrument auf der Theke des Instituts platziert worden. MacNeil selber wechselte zwischen akustischer Gitarre und Klavier, so dass die Songs ihres Albums Idealistic Animals noch reduzierter, aber dadurch noch intensiver klangen.


Durch die Hitze in dem kleinen Raum musste die Harfe ständig gestimmt werden und in diesen Pausen erzählte Cherilyn kleine Anekdoten aus ihrem Leben, z. B. dass ihre ersten Worte auf Deutsch "Dies ist kein Fahrradweg" waren. Nach einer knappen Stunde verließen sie die Theke, doch als guter Conferencier und unterstützt vom lautstarken Beifall des begeisterten Publikums holte Wallfisch sie zurück, versorgte sie mit Getränken, so dass noch zwei weitere Lieder folgten.


Gegen halb zwei war dann ein langer Abend zu Ende und man kann es jedem nur ans Herz zu legen, sich auch mal etwas Kultur im Dortmunder Schauspielhaus zu gönnen, denn diese Small Beast-Reihe ist ein Gigant der Unterhaltung.

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