Sonntag, 26. Februar 2012

Loch Lomond

Loch Lomond

21.02.12 Steinbruch, Duisburg

Eine Band benennt sich nach einem malerischen See in der Nähe von Glasgow und veröffentlicht mittlerweile auf dem Glasgower Indie-Label schlechthin, Chemical Undergound (u. a. Mogwai, Aereogramme), da wird man automatisch hellhörig und spätestens nach Ansehen des wunderschönen Videos zu Elephants & Little Girls will man diese Band live sehen.
Loch Lomond selber kommen aus Portland und haben seit 2004 vier Alben und zwei EPs veröffentlicht, die neueste gerade rechtzeitig zur Tour, die sie ins Steinbruch zu ihrem allerersten Konzert auf deutschem Boden führte.

Loch Lomond

Um halb neun betraten Loch Lomond heute zu fünft (sonst eigentlich mindestens ein Sextett) die Bühne und begannen direkt mit Elephants & Little Girls, vielleicht dem idealen Opener, vereint er doch alle Momente der Band, ihre Folk-Melodien, die Gesangsharmonien und auch die Energie, die man manchmal so gar nicht hinter der soften Musik vermuten würde, wenn sie in den Chören geradezu Nordkurven-Atmosphäre erreichen.
Überhaupt ist der Gesang von Songwriter Ritchie Young herausragend. Manchmal erinnert er an John K. Samson (z. B. in Field Report), wobei er seine Stimme im nächsten Moment wieder sehr schneidend und durchdringend klingen lassen konnte, dass ich hierbei sofort an die verblichenen JJ 72 denken musste.


Generell war das Konzert ruhig gehalten, die elektrische Gitarre, deren Verstärker wie ein Grillenzirpen den ganzen Abend vor sich hin brummte - der einzige kleine Minuspunkt bei einem ansonsten sehr guten Sound - wurde öfter zu Gunsten eines Vibraphons bei Seite gelegt, aber dennoch sehr intensiv. Natürlich lag der Schwerpunkt bei den Stücken des letzten Albums Little Me Will Start A Storm und der neuen White Dresses EP, bei deren Titelsong Ritchies Bruder vom Schlagzeug nach vorne kam und beide Keyboarderin Brooke Parrott stimmlich unterstützten, wobei vorsichtshalber der Text vom Blatt abgelesen wurde. Aber auch ein brandneuer Song wurde gespielt.
Nach einer knappen Stunde verabschiedeten sich die fünf, kamen aber unter lautem Beifall umgehend wieder. Die erste Zugabe wurde unplugged zu dritt vor der Bühne gespielt, ein ergreifendes Cover von Damien Jurados Yuma, AZ, gefolgt von einem weiteren Song in voller Besetzung.


Doch das Publikum wollte noch mehr und so kehrte Ritchie Young noch einmal alleine zurück, um Bird And A Bear zu spielen. Und allein dieser Song in seiner herrlichen Unperfektion machte diesen Konzertabend so grandios. Zunächst erzählte er die Geschichte hinter dem Lied, verpatzte anschließend den Anfang. Und zum ende hin kam er wieder aus dem Tritt und beendete den Song schließlich, nachdem er erneut mit dem Text durcheinander kam, indem er einfach das Ende erzählte. Das Ganze wirkte dabei aber werde peinlich noch unprofessionell, sondern nur einfach herrlich unvorbereitet, weil die Band anscheinend nicht damit gerechnet hatte, vom Publikum um Zugaben gebeten zu werden.
Hoffentlich braucht die Band nicht wieder sieben Jahre, um erneut in Deutschland auf Tour zu gehen.


Setlist:
Elephants & Little Girls
Blood Bank
Field Report
Kicking With Your Feet
Ghost Of An Earthworm
Egg Song
White Dresses
Blue Lead Fences
Made Of Ink
Your Eyes
Epic
Wax And Wire
------------------------------
Yuma, AZ
Carl Sagan (?)
------------------------------
Bird And A Bear

Setlist Loch Lomond

Sonntag, 19. Februar 2012

The Maccabees / We Are Augustines

The Maccabees / We Are Augustines

15.02.12 Gebäude 9, Köln

Vor zwei Wochen Wochen erlebte ich beim Konzert von I Break Horses den Fluch eines grandiosen Debütalbums, dessen Qualität die Band live nicht gerecht werden konnte. We Are Augustines veröffentlichten im Juni 2011 ebenfalls ihre erste Platte Rise Ye Sunken Ships (hierzulande kommt sie alerdings erst nächsten Monat raus), die es ebenfalls in meine Top 3 des Jahres schaffte. Und nun folgte quasi die Feuertaufe im Vorprogramm der Maccabees.
Das Gebäude 9 war restlos ausverkauft, aber nicht nur vor, auch auf der Bühne war es gerammelt voll mit dem Equipment der zwei Bands. Um Punkt neun betrat das Trio aus New York die Bühne und schon mit den ersten Takten von Rise machten sie klar, dass hier keine blutjunge Band ihre ersten Tour-Erfahrungen sammelte.Das bislang unveröffentlichte Stück spielten sie nämlich schon zu Zeiten ihrer Vorgängerband Pela, die sich 2007 während der Aufnahmen zu ihrem zweiten Album auflöste. Die meisten Songs von Rise Ye Sunken Ships stammten aus dieser Phase, Sänger/Gitarrist Billy McCarthy verarbeitet darin den Selbstmord seines Bruders, der eine Haftstrafe wegen Mordes im Folsom Prison verbüßte.

We Are Augustines
Den Emo-Sound von Pela verfeinerten We Are Augustines auf Platte, live kamen aber natürlich die Rocker in ihnen zum Vorschein, denn es ist "just rock'n'roll", wie auch Bassist Eric Sanderson kurz während des Konzerts  bemerkte.In ihrer halben Stunde schafften sie es jedenfalls, mit unglaublicher Spielfreude das Publikum, das natürlich in der überwiegenden Zahl nicht wegen ihnen da war, dennoch zu begeistern, spielten sie mit Juarez, Headlong Into The Abyss, Chapel Song und Book Of James natürlich auch die Highlights ihres Albums hintereinander weg.
Hoffentlich kommen sie bald mal für eine Headliner-Tour mit mehr Spielzeit nach Deutschland, denn sie wurden den hohen Erwartungen ihres Albums live mehr als gerecht.

The Maccabees
Auch nach dem Abbau des Equipments von We Are Augustines herrschte auf der Bühne immer noch Platzmangel, denn den frei gewordenen Platz nahmen nun voluminöse Effekt-Pedale ein. In England spielen die Londoner inzwischen in größeren Hallen, nachdem ihr neues Album Given To The Wild auf Platz vier der britischen Charts schoss. Gingen die beiden ersten Platten an mir relativ spurlos vorbei, überzeugte mich das neue Werk mit seinen ruhigeren und dabei epischeren Momenten, die zwar beim ersten Hören den Hit vermissen ließen, dafür aber ständig wachsen.
Los ging es um kurz vor zehn auch gleich mit zwei neuen Songs von Given To The Wild und sofort überraschte der für das Gebäude 9 ungewöhnlich gute Sound. Man hörte sauber heraus, dass sechs Musiker  zusammen spielten, vor allem die zwei, manchmal drei Gitarren waren klar zu unterscheiden und sorgten so dafür, dass die Klangwände der neuen Stücke adäquat umgesetzt wurden. Und ebenfalls ungewöhnlich, diesmal für Britpop-Bands im weiteren Sinne, war die Spielfreude und gute Laune, die die Maccabees an den tag legten. Vor allem Gitarrist Hugo White grinste ständig vor sich hin, erwiderte jedes Lächeln aus dem Publikum und feuerte seine Mitstreiter ständig an, während sein Bruder an der anderen Gitarre wirkte, als müsse er noch zum Casting bei den Hellacopters. Sänger Orlando Weeks tänzelte während der instrumentalen Passagen wie ein Boxer über die schmale Bühne, wirkte am Mikro aber herrlich schüchtern und unbeholfen, dabei aber sehr charmant. Während viele im Publikum sich natürlich freuten, wenn ältere Songs ertönten, überzeugten mich die neuen Stücke mehr, weil sie eigenständiger und nicht nach Bloc Party-Outtakes (das liest sich gemeiner, als es gemeint ist) klangen.
Mit Pelican, der ersten Single von Given To The Wild, beendeten sie nach einer knappen Stunde das reguläre Set, doch natürlich folgte noch eine Zugabe aus drei Stücken. Bei Precious Time versuchte sich das Publikum im Mitsingen, ehe das epische Grew Up At Midnight, mein Favorit vom neuen Album, zum Abschluss alles niederwalzte.
The Maccabees waren besser als erwartet, doch noch überzeugender präsentierten sich We Are Augustines, die - auch wenn es vermessen klingen mag - das Zeug haben, in die Fußstapfen von Jimmy Eat World oder gar The Gaslight Anthem zu treten.

The Maccabees
Setlist The Maccabees:
Child
Feel To Follow
Wall Of Arms
No Kind Words
Glimmer
Went Away
William Powers
First Love
Can You Give It
Forever I've Known
Love You Better
Pelican
------------------------
Unknow
Precious Time
Grew Up At Midnight


Montag, 6. Februar 2012

I Break Horses

I Break Horses / Velochrome

04.02.12 Grammatikoff, Duisburg

Die letzten Tage waren ein Traum für Frühaufsteher, denn es gibt kaum etwas Schöneres als einen Sonnenaufgang nach einer frostigen Nacht, wenn sich der wolkenlose Himmel in den schönsten Rottönen präsentiert. Den passenden Soundtrack dafür liefern die Schweden von I Break Horses mit Winter Beats aus ihrem durchgängig großartigen Debütalbum Hearts, das in meiner persönlichen Liste auf den dritten Platz der Alben des Jahres 2011 kam.
Der warme Synthie-Sound wird immer wieder von perlenden Shoegaze-Gitarren untermalt, so dass die Songs nicht in die düsteren Abgründe der musikalisch verwandten EMA abtauchen, sondern wunderschöne Popsongs bleiben. Das Album entsprang einer reinen Studiotüftelei, denn das Duo war vor Veröffentlichung scheinbar noch nie auf Tour und hatte laut ihrer Website erst im November/Dezember ihre ersten Auftritte.
Ebenso neu wie die Band war ihr Auftrittsort in Duisburg, hatte das Grammatikoff doch ebenfalls erst im November 2011 seine Pforten in der Duisburger Innenstadt geöffnet, wenngleich in den traditionsreichen Räumen des alten Hundertmeister. Der Konzertsaal im ersten Stock war früher ein Kino und verfügt über einen Sound, der in der Club-Szene seinesgleichen sucht. Das konnte man schon an der zur Einstimmung gespielten Musik von Bands wie The Big Pink oder Medicine hören, die optisch auf einer großen Leinwand an der Seitenwand von einem drittklassigen Filmchen aus dem Hause Hammer Productions namens Demons Of The Mind untermalt wurden.
Gegen 22:15 kamen dann die Kölner Velochrome auf die Bühne und zeigten 45 Minuten lang, dass sie ihre Hausaufgaben im Fach "New Wave der 80er" gemacht hatten, indem sie einen klanglichen Mix aus Bands wie The Sound, The Chameleons oder Icehouse spielten, der einen allerdings nur animierte, die originale rauszuhören, weil weder Bühnenpräsenz noch Eigenständigkeit groß genug waren um einen zu fesseln.

I Break Horses
Gegen halb zwölf kamen dann die live zu einem Quintett angewachsenen I Break Horses auf die Bühne. Das versprach eine opulente Umsetzung der atmosphärischen Stücke, doch schon bei den ersten Klängen wurde klar, dass die Schweden der hohen Messlatte ihres Albums live nicht gerecht werden konnten. Der Sound war ausgezeichnet, zweifellos der beste, den ich seit langer Zeit bei einem Konzert zu hören bekam, doch dominierten die Keyboards zu sehr gegenüber den Gitarren und ließen so einen der wesentlichen Stimmungseffekte der Platte schon mal verpuffen. Die nächste Enttäuschung war der Gesang, denn die warme, dunkle Stimme entpuppte sich live als dünnes Säuseln.


Zudem hatte sich die Band entschieden, manche Songs rhythmisch so umzuarrangieren, dass Popsongs zu Klangteppichen werden sollten und so ein einheitliches Tempo das Set durchzog. Vor allem bei Pulse ging das gründlich daneben und ruinierte so den ganzen Song.
Nach gut vierzig Minuten verabschiedeten sich I Break Horses ohne Zugabe und man merkte auch am zurückhaltenden Applaus, dass der Auftritt auch viele andere unter den gut 80 Zuschauern musikalisch nicht überzeugt hatte. Zudem wirkte die Band sehr distanziert und auch unsicher, was bestimmt ihrer fehlenden Bühnenerfahrung zuzuschreiben war.
So bleibt die Hoffnung, dass die Band mit zunehmender Erfahrung wie der anstehenden US-Tour mit M83 wächst, denn die tollen Lieder haben es verdient, live adäquat präsentiert zu werden.


Scream

Scream / Bloodstains

03.02.12 Underground, Köln

Bei großen Fußballern geraten oft die ersten Stationen als Profi in Vergessenheit, weil man sie nur noch mit ihren späteren Erfolgen in Verbindung bringt. So ist Thierry Henry untrennbar mit Arsenal verbunden, während kaum einer weiß, dass er zunächst beim AS Monaco ins Rampenlicht trat.
In der Musikszene gibt es da Parallelen. So denkt man bei Dave Grohl zwangsläufig an Nirvana und die Foo Fighters, aber wer kennt noch die Band, bei der er im Alter von 17 seine Karriere als Schlagzeuger begann. Die Band hieß Scream und war damals auf Dischord, einem der traditionsreichsten HC/Punk-Label Amerikas. Dischord wurde gegründet von Ian MacKaye, der mit Fugazi Punk-Geschichte schrieb und zuvor sich einen Namen machte mit Minor Threat.
Deren Song In My Eyes wurde den drei jungen Aachener Burschen namens Bloodstains, die gerade einmal frisch der A-Jugend ihres örtlichen Vereins entwachsen zu sein schienen, als letzter Song ihres halbstündigen Sets gecovert. Auch sonst wirkten sie wie Teenager auf dem Bolzplatz, die im Trikot von Real Madrid oder Manchester United kicken, aber an ihre Vorbilder nie heranreichen können. Dennoch machte ihr Auftritt im noch sehr übersichtlich gefüllten Underground den Rentnern am Trainingsplatz durchaus Spaß. Die mangelnde Technik offenbarte sich im einzigen Gitarrensolo des ganzen Spiels, das gnadenlos versemmelt wurde Aber der Einsatz stimmte und wurde mit Beifall honoriert.

Scream
Was war danach von Scream zu erwarten? 1990 hatten sie sich aufgelöst und 20 Jahre später überraschend wieder in Originalbesetzung zusammen gefunden. Letztes Jahr hatten ja OFF! gezeigt, das mit klassischem Ami-Hardcore das Underground locker zu füllen war, doch Scream fielen da schon immer etwas aus der Reihe, weil sie immer wieder Reggae-Einflüsse Raum gaben, also mehr Bad Brains als Black Flag waren. Doch im bitterkalten Köln zog Reggae wohl nicht, denn das Underground blieb ziemlich leer, nicht einmal 100 Leute wollten sich erwärmen lassen. Doch die Band ließ sich davon nicht die Spiellaune verderben und zeigte, dass man auch als Endvierziger noch voller Energie das Haus rocken kann.


Vor allem Songs der ersten beiden Alben Still Screaming und This Side Up wurden gespielt, aber sie bewiesen auch, dass sie keine reine Nostalgie-Kapelle sind. Letztes Jahr hatten sie einige neue Songs bei einer Session eingespielt und veröffentlicht, die live sogar deutlich besser weil rotziger klangen als auf Platte, und auch ein bislang unveröffentlichtes Stück wurde dargeboten.
Nach für Hardcore-Shows geradezu epischen gut 75 Minuten war dann Schluss, bei dieser Länge gab es dann keine Zugabe, aber wie schon eine Woche zuvor die Cosmic Psychos hatten Scream bewiesen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören.

Setlist Scream