Samstag, 25. Juni 2011

Wu Lyf

Wu Lyf / Touchy Mob

12.06.11 Filmforum im Museum Ludwig, Köln

World Unite! Lucifer Youth Foundation - klingt leicht infantil, also doch besser Wu Lyf, da würde ich walisischem Hip Hop vermuten, was zwar nicht ganz stimmt, aber sooooo abwegig wäre das nicht.
Im Rahmen des c/o pop Festivals war die derzeit in England meist gehypte Band zu Gast. Ort des Geschehens sollte die Dachterasse des Museum Ludwig sein mit dem Kölner Dom im Rücken, aber scheinbar wollte dann doch eine höhere Macht nicht auf Luzifers Boyband blicken, so dass auf Grund des für diesen Sommer typischen Aprilwetters der Auftritt bereits einen Tag vorher in das Filmforum, den Kinosaal des Museums, verlegt wurde. Ausverkauft war es auch, denn gerade auf einer Popmesse wollte die Branche sich natürlich davon überzeugen, ob die Lobeshymnen der britischen Presse berechtigt sind.
Als um punkt neuen ein Vollbart in sexy Shorts die Bühne betrat, waren die plüschigen Kinosessel aber noch nicht alle besetzt. Der Touchy Mob aus Berlin besteht aus einer überschaubaren Anzahl von Leuten, nämlich nur Ludwig Plath, der seine Musik selber auf seiner Facebook-Seite als "4-to-the-floor-folk" bezeichnet. Mit einem Klettverschluss war eine Art Keyboard an seine akustische Gitarre gepappt, mit dem er seine ruhigen Liebeslieder elektronisch untermalte und auch verfremdete. Das reichte von Soundscapes bis hin zu tanzbaren Rhythmen und ergänzte sich ganz wundervoll. Da seine Stimme dazu manchmal nach Bon Iver, aber auch nach Thom Yorke klang und zudem noch so herrlich verhuschte Ansagen wie "Hey Babe, ich bin die Vorband" von sich gab, hatte er im Nu die Zuhörer auf seiner Seite. Nach vierzig Minuten wollte er dann eigentlich Schluss machen, aber der anhaltende Applaus und die kurze Versicherung des Veranstalters, dass er noch etwas Zeit hätte, lockten ihn noch einmal für zehn Minuten zurück auf die Bühne.
Wer auf den Geschmack gekommen sein sollte, werfe mal einen Klick auf die Bandcamp-Seite des Touchy Mob.

Touchy Mob
Um 22:15 begann dann der Hauptfilm vor inzwischen voll besetztem Haus. Die vier Milchbubis aus Manchester eröffneten mit L Y F, dem Opener ihres gerade erschienenen Debütalbums Go Tell Fire To The Mountain, ihr Set im spärlichen Licht, das hauptsächlich aus einer Lichterkette vom Schlagzeug zum Keyboard, das wie eine Kanzel ummantelt war, bestand. Auch die Orgelklänge verstärkten das religiöse Ambiente. Wenn man dazu in die Gesichter des Sängers und des Bassisten sah, konnte man tatsächlich den Eindruck bekommen, die meinen es ernst. Doch diesen Anschein konnten sie nicht durchhalten, denn immer wieder wirkten sie nicht nur ob ihren Alters wie eine Schülerband. Die Posen des Bassisten wirkten dann doch manchmal arg unbeholfen und auch der Sänger mit seiner kehligen Stimme ließ das ein oder andere Mal den englischen Proll raushängen und erwies auch nicht gerade als Tastenvirtuose. Die Band wirkte allerdings auch durch den Rahmen des Konzerts etwas verunsichert, bat das Publikum schon nach dem ersten Song aufzustehen, weil ihr die sitzende Menge nicht zu behagen schien. Musikalisch wurden die Stücke vom Album sehr originalgetreu umgesetzt, die Gitarre perlte wie bei Explosions In The Sky vor sich hin, allein der richtig gute Schlagzeuger erzeugte Dynamik, z. B. in Spitting Blood. Doch selbst bei den schon länger bekannten Stücken wie Dirt oder Heavy Pop wollte keine richtige satanische Messe gefeiert werden, dafür war aber auch vielleicht der Anteil an Fans zu gering im Vergleich zu den beruflich interessierten Leuten. Mit We Bros endete der Auftritt nach gut 40 Minuten und hinterließ bei vielen Anwesenden die Frage, warum das nun der nächste heiße Scheiß von der Insel sein soll, denn das Album ist sicher gut, aber die "carefully designed anonymity" (New York Observer) gegenüber den Medien weckt zwar Neugier, aber ob die mit Inhalt befriedigt werden kann, wird sich zeigen.

Wu Lyf
An diesem Abend lautete das Fazit jedenfalls: Don't believe the hype! oder auch Touchy Mob 1 - Wu Lyf 0.

Dienstag, 21. Juni 2011

Hurricane Festival

Hurricane Festival

17.-19.06.11 Scheeßel - Eichenring

Nach sieben Jahren Pause ging es mal wieder zum Hurricane Festival. Es war nicht das außergewöhnlich gute Line-Up für diesen Besuch verantwortlich, sondern die Tatsache, dass meine Freundin dort schon seit Jahren hinfährt. Daher stand kein Abarbeiten möglichst vieler Bands auf dem Plan, sondern mehr gepflegtes Beisammensein mit musikalischer Untermalung. Da ja in den letzten Jahren das Hurricane seinem Namen öfter mal alle Ehre gemacht hatte, wurde diesmal nicht gezeltet, sondern ich schloss mich natürlich meiner besseren Hälfte und ihrer Reisegruppe an und nächtigte in deren absolut empfehlenswerten Stammhotel "Zur Mühle".
Der Spielplan sorgte ebenfalls bereits im Vorfeld dafür, sich nicht der Versuchung auszusetzen, zu viele Bands sehen zu wollen, da sich doch einiges überschnitt oder gar parallel spielte. So traten freitags auf der Hauptbühne, der Green Stage, hintereinander Elbow, Portishead und Arcade Fire auf, während auf der zweiten Open-Air-Bühne der Blue Stage, leicht zeitversetzt dazu Glasvegas, Jimmy Eat World und Suede msuizierten. Samstags das gleiche Problem mit Parallelshows von Monster Magnet und den Vaccines sowie Bright Eyes und den Kaiser Chiefs und der Sonntag brachte z. B. die Qual der Wahl zwischen The Hives und The Kills und den Arctic Monkeys und The Eels. Also wurden die drei Tage farbtechnisch aufgeteilt, der Freitag gehörte der Green Stage, der Samstag der Blue Stage und Sonntag dann zum Abschluss der Red Stage im Zelt.
Nach einer staufreien Autofahrt und kurzem Einchecken im Hotel ging es dann kurz nach sieben mit dem Taxi zum Festivalgelände, bzw. bis so ca. 1,5 km davor, so weit das Taxi halt fahren konnte. Danach dann die übliche Rennerei zum Abholen der Festivalbändchen und rauf aufs Areal des Eichenrings, um noch schnell das erste Kaltgetränk einzunehmen. Mit bemerkenswertem Timing standen wir dann auch genau pünktlich zum Beginn von Elbow in der zweiten Reihe. Um uns herum wurde Englisch gesprochen, denn wohl wegen der durchaus britpop-lastigen Besetzung mit Bands wie eben Elbow, Suede etc. waren dieses Jahr so viele Engländer wie selten zuvor auf dem Festival.
Elbow bewiesen dann, dass sie inzwischen reif für die großen Bühnen sind. Wie schon im März in Glasgow machte Guy Garvey den Entertainer, scherzte mit dem Publikum und machte sich sogar einmal auf den für einen Mann seiner Statur mühevollen Weg von der Bühne bis hinein in die Fans am Absperrgitter. Zum ersten Mal wurden so auch in Deutschland die Songs vom neuen Album live zu Gehör gebracht, die reguläre Tour steht ja erst für November auf dem Programm, neben dem Opener The Birds wurden auch Neat Little Rows und Open Arms gespielt, bevor nach einer guten Stunde One Day Like This ein absolut überzeugendes Set beendete.

Elbow
Portishead betrachteten wir dann aus größerer Entfernung. Ich war gespannt, wie die Band mit ihrer eigentlich ja nicht so festivaltauglichen Musik ankommen würde, denn Partymucke geht definitiv anders. Und so wurde es auch ein sicherlich nicht schlechtes Set, aber die Songs vom letzten Album Third wie Silence oder Machine Gun kamen live deutlich besser an, wurden auch druckvoller gespielt als die alten Tränenreisser wie Glory Box. Die Bilder auf den Großleinwänden waren übrigens bei Portishead in schwarz-weiß gehalten, Tristesse mit dem Zaunpfahl sozusagen.

Portishead
Zum Headliner der Green Stage dieses ersten Abends ging es dann wieder direkt vor die Bühne, denn das Spektakel Arcade Fire wollte ich unbedingt aus der Nähe, soweit dieses bei so einer großen Bühne überhaupt möglich ist, genießen. Und ich wurde nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Die Band hat ja eh schon nicht wenige Mitglieder, aber diesmal wirkte es, als ob mindestens zwanzig Leute auf der Bühne herumwuselten und gute Laune verbreiteten. Dementsprechend hervorragend war auch die Musik, denn die große Besetzung erlaubte natürlich eine unglaublich gute Umsetzung des fast schon orchestralen Sounds der Band und diese Umsetzung war auch zu hören und ging nicht wie sonst so oft bei Festivals durch matschigen und verwehten Sound unter. Gespielt wurden erstaunlich viele ältere Songs, so folgten schon sehr früh im Set mit Neighbourhood #2 (Laika) und No Cars Go direkt zwei Hits hintereinander. 75 Minuten lang bewiesen Arcade Fire, dass sie sich ihren momentanen Erfolg und diese Headliner-Position redlich verdient hatten, indem sie ein einfach überwältigendes Konzert spielten.

Arcade Fire
Die Zugabe verfolgten wir dann aber doch nur noch aus der Ferne, machten wir uns da nämlich schon auf den Weg zur Blue Stage, wo als allerletzte Band des ersten Tages The Chemical Brothers die Aufgabe hatten, die Massen zum Tanzen zu bringen. Vor Jahren hatte ich sie schon einmal auf dem Hurricane gesehen, wo sie mit einer fantastischen Lightshow und fettem Sound das Zelt damals zum Kochen brachten. und auch Jahre später  unter freiem Himmel sollte es nicht anders sein. Die Band, oder sollte man besser die Knöpfchendreher und Reglerschieber sagen, spielte ein quasi durchgehendes Set, indem die einzelnen Stücke nahtlos ineinander übergingen, aber mit wiederkehrenden Motiven, sowohl optisch als auch akustisch. Dabei wurden die Stücke auch noch verändert, um in diesen Gesamtrahmen zu passen. Hey Boy, Hey Girl z. B. erkannte man nur am Rhythmus und am wiederkehrenden "Here We Go". auch Setting Sun mit seinem typischen Riff wurde ins Set eingewoben. Dieses Prinzip wurde dann erst zum Ende durchbrochen, als man quasi deutlich machte, dass hier die Zugabe begann, indem Galvanized und Block Rockin' Beats deutlich als einzelne Songs erkennbar waren und die Massen um kurz vor zwei Uhr nachts noch einmal kollektiv zum Zappeln und Hüpfen brachten und sogar wildfremde Menschen miteinander Discofox tanzten (!), ein furioses Ende eines grandiosen ersten Tages.

The Chemical Brothers
Gegen drei Uhr waren wir dann im Hotel und genossen den Luxus einer Nacht im bequemen Bett und einem sagenhaften Frühstück. Da das Haus ausschließlich von Hurricane-Besuchern belegt war, gab es Frühstück nachtschwärmerfreundlich von neun bis zwölf.
Kurz nach drei bezogen wir dann wieder unser "Hauptquartier" am Red Bull-Stand der Blue Stage und bekamen noch ein wenig von Warpaint und British Sea Power mit, was aber nicht wirklich umhaute. Danach verzog sich der Großteil meiner Reisegruppe zu Monster Magnet, während ich erstmals das Zelt der Red Stage betrat, um mir The Vaccines anzuschauen, deren Album mir sehr gut gefällt. Eine schlechte Entscheidung, denn der Auftritt fiel flach, da die Band den Flieger verpasst hatte und so zu spät in Hamburg gelandet war, um es noch rechtzeitig nach Scheeßel zu schaffen. Monster Magnet hingegen sollen toll gewesen sein, da ein sichtlich in die Breite gegangener Dave Wyndorf wie zu den alten Zeiten von Dopes To Infinity gerockt haben soll.
Wieder versammelt an der Blue Stage wurden die Friendly Fires als unauffälliger Soundtrack zur Nahrungs- und Getränkeaufnahme missbraucht. Danach sollten eigentlich die Augen auf die Bühne, bzw. auf die langen Beine der Frontfrau der Sounds gerichtet werden, doch die langweilige Musik trieb uns dann doch ganz schnell zurück zum Chillen auf der Wiese, denn allen Unkenrufen zum Trotz war es von vereinzelten kleinen Tropfen abgesehen doch trocken.
Zum Two Door Cinema Club ging es dann etwas näher an die Bühne. Letztes Jahr hatten sie noch im Zelt gespielt und scheinbar positiven Eindruck hinterlassen, denn vor der Bühne drängelte sich reichlich Jungvolk, um den irischen Indiedancepop abzufeiern. Die optisch noch Milchbubis machten ihre Sache auch gut, konnten mich aber nicht wirklich  überzeugen, da ihre Musik dafür nicht abwechslungsreich genug ist und es dann doch etwas langweilte, wenn der fünfte Song hintereinander den gleichen Beat hatte und auch die Melodiebögen nicht so vor Abwechslung sprühten.

Two Door Cinema Club
Aber sie waren um Längen besser als die nachfolgenden Kasabian, die mich mit ihrem belanglosen Britrock richtig langweilten und zudem ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten, da sie sich mehrmals mit "Thank you, Hamburg" bedankten.
Zum Abschluss spielten dann die Kaiser Chiefs, deren neues Album The Future Is Medieval gerade erschienen ist und für meinen Geschmack zu lang und zu midtempolastig ausgefallen ist. Aber live waren sie ein würdiger Headliner der Blue Stage, denn ihr gut 75minütiges Set war ausgewogen, da sich die neuen Songs wie Little Shocks oder das sehr gute Dead Or In Serious Trouble immer wieder mit alten Hits abwechselten. Everyday I Love You Less And Less als Opener sorgte sofort für ausgelassene Stimmung und auch I Predict A Riot oder Ruby wurden recht früh gespielt. Zudem präsentierte sich Sänger Ricky Wilson als energiegeladener Frontmann, dem zuzuschauen auch einfach Spaß machte. Mit Oh My God wurde dann der entspannte zweite Tag noch mit einem Highlight beendet.

Kaiser Chiefs
Sonntag setzte dann der vorhergesagte Regen ein, begleitet von einem unangenehm starken Wind. Nur gut, dass wir eh den Tag fast ausschließlich im Zelt verbringen wollten. Vorbei an den scheinbar nicht tot zu kriegenden Mumien von Selig bekam man auf der Blue Stage noch etwas An Horse zu hören, die sehr vielversprechend klangen, mit ihrem zwar sicherlich nicht bahnbrechenden Indierock mit Frauengesang, aber sie ließen dabei genug Potential erkennen, um in der Kürze einen deutlich besseren Eindruck zu hinterlassen als z. B. Warpaint am Vortag.
Von der nachfolgenden Band Of Horses konnte ich leider nur noch die ersten drei Songs mitbekommen, da wir dann schon ins Zelt gingen, wo zwar The Kills erst später auf der Bühne standen, wir aber hier unbedingt gute Plätze haben wollten. Dafür mussten wir dann auch The Asteroids Galaxy Tour anhören, die mit ihren Bläsern und ihrem nett swingenden Indiepop gar nicht so schlimm gewesen wären, wenn nicht die Sängerin eine so furchtbar quäkende Stimme hätte.

The Asteroids Galaxy Tour
Danach kamen dann The Kills und zeigten, wie mit wenig Aufwand und allein durch unglaubliche Bühnenpräsenz das Haus gerockt werden kann. Minimalistische Beats vom Band, dazu die Gitarre von Jamie Hince und No Wow als Opener und wer sah, wie Alison Mosshart dazu sang und sich bewegte, bei dem machte es sehr wohl "Wow!". Leider trübte der Sound ein wenig das Vergnügen, denn sobald die Rhythmen vom Band etwas zu basslastig wurden, wie z. B. bei Satellite von ihrem neuen Album, dröhnte es unangenehm scheppernd aus den Boxen. Auch die Passagen, in denen Alison ebenfalls zur Gitarre griff, klangen zu undifferenziert. Dennoch war es ein guter Auftritt, denn dafür sind die Songs der Kills einfach zu eigenständig und herausragend und die Performance war auch zu überzeugend.

The Kills
Als nächstes standen die Eels auf dem Programm, bei denen man ja nie weiß, was live zu erwarten ist. Diesmal präsentierten sie sich als Good Ole Blues Brothers Boys Band Revue, zwar nicht im schwarzen Outfit, aber einheitlich wie eine Barbershop Combo mit Sonnenbrillen. Drei Gitarren, zwei Bläser (teilweise spielte auch noch eine der Gitarristen Trompete) und es wurde sofort heftig gerockt. Mister Everett präsentierte sich als Frohnatur, klatschte sich mal herrlich übertrieben mit seinen Mitstreitern ab, bedankte sich beim Publikum für den frenetischen Applaus mit "Danke scheen, my schatzis!" und war auch bei der Bandvorstellung zu Scherzen aufgelegt. So unterbrach er das Sologegniedel eines Gitarristen, indem er einfach mal auf dessen Saiten haute und stellte den anderen als "Guitar Magazine's Best Trumpet Player Of The Year" vor. Es wurde Sly & The Family Stone's Hot In The Summertime gecovert und auch die eigenen Klassiker wie Love Of The Loveless, Saturday Morning, Souljacker (Part I) und Novocaine For The Soul begeisterten mich und den Rest im proppevollen Zelt. Zum Abschluss joggte E von der Bühne, kam noch einmal wieder und holte sich eine Runde Applaus ab und joggte erneut davon, während die Gitarristen tatsächlich wie in Blues Brothers aufeinander zushuffelten. Lautstark wurde eine Zugabe gefordert, die es wie bei Festivals üblich aber nicht gab, auch wenn sie mehr als verdient gewesen wäre, war dieser Auftritt der Eels doch das absolute Highlight des Festivals, gerade weil es so unerwartet kam und in puncto Musikalität und Performance alle um Längen schlug und da nur Arcade Fire mithalten konnten.

The Eels
Danach leerte sich das Zelt rapide und füllte sich auch nur zur Hälfte wieder, als die Klaxons anfingen. Die ließen aber die Anwesenden noch einmal richtig abzappeln mit ihrem Elektrorock. Sie legten los wie die Feuerwehr, hielten das Tempo aber nicht ganz durch. Dabei wirkten sie auch auf der Bühne so hyperaktiv wie Duracell-Hasen auf Acid, was aber genau richtig war nach drei langen, anstrengenden Festivaltagen.

Klaxons
Nach gut vierzig Minuten verließen wir aber die Red Stage, denn wir hatten noch einen längerem Marsch zum in Scheeßel abgestellten Auto zurückzulegen. Dabei wurden wir dann noch mit etwas Clueso von der Blue Stage gefoltert und hörten, wie Dave mit seinen Foo Fighters auf der Green Stage gröhlte.
Zwar habe ich nur einen Bruchteil der Bands gesehen, die an den drei Tagen auftraten, aber dafür war es ein um so entspannteres Erlebnis, auch mit dem Komfort eines Hotels im Rücken und da das Wetter mitspielte bzw. durch unsere Planung ausgebremst wurde. Vielleicht auf Wiedersehen nächstes Jahr...

Donnerstag, 16. Juni 2011

Gifts From Enola

Gifts From Enola

15.06.11 Druckluft, Oberhausen

Zum fünften Mal in den letzten zwei Monaten ging die Reise ins Druckluft und doch war etwas anders. Nach dem Umbau war ich zum ersten Mal bei einem Konzert in der Halle, der alte Seiteneingang ist dicht und zum Klo geht man nicht mehr über den Hof sondern in den ersten Stock. Nachdem Gifts From Enola das letzte mal vor nur 30 Leuten im Café gespielt hatten, hatte ich befürchtet, dass die doch recht große Halle etwas überdimensioniert sein würde. doch da man einfach vor die eigentliche Bühne das ganze Set auf einem kleinen Podest aufgebaut hatte, wirkte der Raum sofort viel kleiner und es blieb bei der Club-Atmosphäre.
Außerdem waren geschätzte 50 Zuschauer anwesend, als Kokomo gegen 21:20 begannen.Fünf Leute, drei Gitarren, kein Mikro, das klang nach klassischem Postrock-Gebrate. Und man erkannte auch reichlich vorbilder, die perlenden Klänge von Explosions In The Sky oder die Dröhnung, wie sie wohl nur Mogwai so richtig perfekt hinkriegen. Aber auch eine deutlich metallische Ader kam bei Kokomo zum Vorschein, z. B. in 91 Meter, die dem Ganzen genug Biss verlieh, um die 40 Minuten absolut nicht langweilig zu finden. Und bei Versus Silotron, ebenfalls auf ihrem Debütalbum If Wolves zu finden, gab es sogar so etwas wie Gesang, zumindest brüllten einfach mal alle Bandmitglieder irgendwas gleichzeitig. Das Rad haben Kokomo zwar nicht neu erfunden, aber Spaß hats gemacht.
Was man während Kokomos auftritt nicht unbedingt bemerkte, war dann anschließend unverkennbar: die Band stammt aus Duisburg und hatte quasi ein Heimspiel, denn als gegen 22:20 dann Gifts From Enola begannen, waren wieder nur so ca. 30 Personen wie im Vorjahr noch anwesend. Und die bekamen wieder eine unglaublich druckvollen Auftritt zu sehen, der deutlich mehr von einer Hardcore-Show hatte als von einem Postrock-Event, was man vor allem Gitarrist CJ auch anmerkte, der manchmal wie ein Flummi abging. auch kam es mir vor, als ob Bassist Nathaniel deutlich mehr Gesangseinlagen hatte als letztes Jahr. Und da dieser Auftritt ja nun fast neuen Monate her war, hatte die Band auch ein Baby in Form zweier neuer Songs dabei. Nach gut 70 Minuten inklusive einer längeren Zugabe, da eine gerissene Gitarrensaite getauscht werden musste, war dann Schluss und wenn sich eine Band bei den leider zu spärlich Anwesenden mit den Worten "It's good to be back in Germany, the UK sucks" bedankt, lässt das schon tief blicken.

Gifts From Enola

Montag, 13. Juni 2011

Dwarves

Dwarves / Radio Dead Ones

12.06.11 Stahlwerk Club, Düsseldorf

Ein Album der Dwarves heißt Thank Heaven For Little Girls, aber damit waren bestimmt nicht die Horden an Blagen gemeint, die alle wirkten, als würde in Leben in RTL Doku Soaps verfilmt und die sich an diesem Samstag Abend auf dem Weg zum Stahlwerk befanden. Hatte ich eine Bravo Foto-Lovestory mit Blag Dahlia verpasst oder warum lümmelten Scharen von Teenagern vor der Halle rum?
Ein Ordner, der meinen verwirrten Blick zu bemerken schien, wies mich zum Nebeneingang, der Zutritt zum Konzert im kleinen Club gewährte, da in der großen Halle und dem Vorplatz eine Schülerparty stattfand. Auch anderen war der erleichterte Blick anzumerken, als sie den kleinen Hof zum Hintereingang betraten, in dem eine Handvoll älterer Herren im angepunkten Outfit herumstand und man somit sicher sein konnte, nicht im falschen Film zu sein.
Kurz nach neun fingen dann die Berliner Radfo Dead Ones an und versprühten leider nur Langeweile. Deren klassischen Punkrock hatten nämlich Die Toten Hosen schon vor 25 Jahren besser gemacht. Gut 40 Minuten versuchten die vier zwar, Energie und Begeisterung unters Volk zu bringen, aber zu mehr als höflichem Applaus reichte es zu Recht nicht.
Gegen 22:10 betraten die Dwarves zu viert die Bühne und da fehlte doch was? Alle waren angezogen, niemand hatte eine Wrestling-Maske auf - Hewhocannotbenamed, das legendäre Enfant Terrible an der Gitarre, war nicht dabei. Bei den Konzerten in den USA im letzten Monat spielten sie übrigens auch schon ohne ihn, dafür mit Nick Oliveri am Bass, dessen Job nun der sonstige zweite Gitarrist übernahm.
Wie üblich war der Sound im Stahlwerk äußerst matschig und unter aller Kanone. So brauchten Band und die gut 100 Anwesenden drei, vier Songs um warm zu werden. Aber mit Anybody Out There war dann die Partylaune im Publikum angekommen und auch die Musiker auf der Bühne kamen nun ins Rollen.Vor allem die alten Hits von der Blood Guts & Pussy wie Astro Boy, Back Seat Of My Car oder Detention Girl machten Laune und die Fans in den ersten Reihen zeigten sich textsicher, zumal ihnen Sänger Blag Dahlia öfter mal das Mikro überließ. Stilsicher beendeten sie nach für ihre Verhältnisse epischen 35 Minuten das Set mit The Dwarves Are Still The Band Best Ever vom gerade erschienenen neuen Album The Dwarves Are Born Again, natürlich wie üblich ohne Zugabe, auch wenn dies möglich gewesen wäre, da sie nicht wie früher zum Schluss ihr Schlagzeug zerlegten. Stattdessen konnte man sie durch den halb geöffneten Vorhang zum Backstageraum sehen, wie sie sich über das Büffet hermachten.
Sie sind halt älter geworden, haben nun auch schon 25 Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel und sicherlich ist es angenehmer, nicht ständig befürchten zu müssen, angerotzt zu werden oder eine Bierflasche und/oder Mikro an den Kopf zu bekommen, aber dennoch war es etwas zu zahm, der besondere Charme der alten Tage fehlte halt schon.

Sonntag, 5. Juni 2011

Leatherface

Leatherface / So What!

04.06.11 Stone, Düsseldorf

Was treibt einen noch halbwegs nüchternen Menschen an einem sonnigen Samstag Abend in die Düsseldorfer Altstadt? Horden von Kreisklasse-Kickern auf Saisonabschluss-Sause und natürlich die obligatorischen Jungegesellenabschiede machen den Weg zum Stone nicht sehr angenehm. Dort steht gerade ein Rudel Rentner vor der Tür, aber offensichtlich nur auf einer Führung durch die Sehenswürdigkeiten Düsseldorfs und nicht, um gepflegte englische Volksmusik zu hören.
Auch eine kleine Reisegruppe aus Bottrop ist im Ratinger Hof eingekehrt und hat dafür ihren Studioaufenthalt unterbrochen und betrat um neun die Bühne. So What! überzeugten sofort mit ihrer Mischung aus Snuff und Didjits und rockten 30 Minuten lang das Haus.

So What!
Danach spielten Leatherface zum dritten Mal in Folge im Stone auf. Und fast schon traditionell hatten sie ein Heimspiel. Diesmal hatten sie sich entschlossen, unheimlich tight zu spielen. Fast sechzig Minuten spielten sie einen Hit nach dem anderen, ohne große Ansagen, nur ein, zwei genuschelte "Thank you" unterbrachen den Fluss. Nach der ersten Zugabe ging Gitarrist Dickie Hammond gar nicht erst von der Bühne, das wäre ihm zu anstrengend, Stattdessen setzte er sich auf eine Kiste Bier und wartete schweißnass auf seine Mitstreiter, um dann mit You Are My Sunshine den gelungenen Auftritt klassisch zu beenden.

Leatherface
Es war nicht die ausgelassene, leicht chaotische Party aus dem Vorjahr, aber so druckvoll durchrockend habe ich sie dafür selten gesehen. Und eine neue CD hatten sie auch am Start, Live In Melbourne - Viva La Arthouse, ganz  frisch aus dem Presswerk und mit einer Tracklist, die der Setlist fast genau entsprach.

Setlist:
Springtime
God Is Dead
Watching You Sleep
Never Say Goodbye
Diego Garcia
Little White God
Peasant In Paradise
Hoodlum
Sour Grapes
Nutcase
My Worlds End
I Want The Moon
Broken
Andy
Pale Moonlight
Dead Industrial Atmosphere
--------------------------------
Hops & Barley
Not Superstitious
You Are My Sunshine

PS: Übrigens, das "halbwegs nüchtern" hatte sich dann nach dem Konzert erledigt, dank meiner Begleiter und auch Dickie Hammond, auf den ich scheinbar einen so durstigen Eindruck in der ersten Reihe gemacht habe, dass er mich mit Bier versorgte, sehr nette Geste.

Donnerstag, 2. Juni 2011

Low

Low / Dark Dark Dark

01.06.11 Gebäude 9, Köln

Einen Tag nach der ausgelassenen Sause mit Arrested Development stand musikalisches Kontrastprogramm an, nämlich der Mormone Alan Sparhawk aka Low mit seinen düsteren, langsamen Songs, der nach vier Jahren endlich ein neues Album veröffentlicht hat und daher für einige wenige Shows in Deutschland ist.
Zunächst spielen die Amerikaner mit dem zur Musik von Low so passenden Namen Dark Dark Dark auf, nette folkige Kammermusik, die an asketische Dresden Dolls erinnert. Draußen war es aber noch zu hell, weshalb ich mich in den Vorhof des Gebäude 9 verzog, denn so ganz waren sie an diesem Abend nicht nach meinem Geschmack.
Da Dark Dark Dark für eine Vorband fast schon epische 45 Minuten spielen durften, war es kurz nach zehn, als Low zu viert die Bühne betraten, denn neben Sparhawks Ehefrau Mimi Parker, in Maureen Tucker-Pose hinter dem Schlagzeug stehend, und dem Bassisten hatten sie noch einen Gast-Keyboarder dabei.
Direkt als Opener spielten sie Nothing But Heart, eines der intensivsten und zugleich das längste Stücke vom neuen Album C'mon. Und gleich zeigte sich das, zumindest für mich, Manko des Abends. Der Sound war gut, der Gesang hervorragend, nur die Gaitarre klang mir zu zahm und zu wenig sägend, was auch im weiteren Verlauf die älteren Songs wie Monkey den letzten Biss vermissen ließ. Dennoch oder gerade deshalb herrschte im Gebäude 9 für Kölner Verhältnisse geradezu andächtige Stille während und auch zwischen den Liedern, was sehr angenehm war und es Alan Sparhawk immer wieder erlaubte, beim Gesang etwas vom Mikro weg zu rücken. Wie gut es den Leuten in der nicht einmal halb vollen Halle gefiel, merkte man erst gegen Ende des Sets, als der Applaus immer frenetischer wurde. Natürlich spielten Low viele Stücke des neuen Albums, gingen aber auch immer wieder zurück in die Vergangenheit zu The Great Destroyer mit Silver Rider oder Canada vom Album Trust. Sparhawk schien dabei für seine Verhältnisse gut gelaunt zu sein mit seiner eigenwilligen Art von Humor. So verabschiedete er sich neulich in Glasgow vom Publikum mit den Worten "I want to stab every single one of you in the throat", und an diesem Abend widmete er nach lobenden Worte für das Gebäude 9, in dem er schon häufig zu Gast war, den Betreibern das Lied Murderer.
Zur Zugabe wurde mit Dinosaur Act ein Wunsch erfüllt und prompt wurden daraufhin dann einige im Publikum übermütig und jemand verlangte nach Transmission, da ja Joy Division Day sei. Sparhawk wirkte fast überzeugt, da wollte ein anderer Revolution hören, denn es sei ja Spacemen 3 Day. Nach einer langen Pause konnte Sparhawjk darauf nichts erwidern und spielte zum Abschluss eines immerhin gut 100minütigen Auftritts stattdessen Violent Past.
Wie schon erwähnt, hätte es für meinen Geschmack ruhig mal etwas lauter und rauer sein können, nichtsdestotrotz war es ein sehr schönes Konzert mit einer angemessenen Atmosphäre.

Arrested Development

Arrested Development

31.05.11 Bahnhof Langendreer, Bochum

Was, die gibt es noch? Vor 19 Jahren waren sie mit ihrem Debütalbum 3 Years, 5 Months & 2 Days In The Life Of... in aller Munde als Alternative zum klassischen Hip Hop. Mit ihrem zweiten Album Zingalamaduni ging es aber direkt schon wieder bergab und nach ihrer zwischenzeitlichen Auflösung verbrachten sie die letzten zehn Jahre offensichtlich abseits des Rampenlichts, machten aber weiter Musik. Nun ist gerade - immerhin mit über einem Jahr Verspätung gegenüber dem US-Release - ihr sechstes Studioalbum Strong hierzulande erschienen und die Band ist sogar passend dazu auf Tour.
Dank des Aponauten im Besitz einer Freikarte harrte ich dann im Bahnhof Langendreer der Dinge, die da kommen sollten. Hohe Erwartungen hatte ich keine, denn Strong klingt zwar nicht schlecht, hat immer noch den typischen Arrested-Development-Sound, aber ob das Ganze nicht zu einer reinen Nostalgie-Veranstaltung werden würde, war fraglich. Das Durchschnittsalter ließ dies zumindest befürchten, denn offensichtlich waren viele im schätzungsweise zu zwei Drittel gefüllten Bahnhof mit den alten Hizs groß geworden.
Um punkt halb neun betraten sechs Musiker die Bühne, ein Bassist, ein Gitarrist im klassischen Blues-Alter, ein Drummer und ein sonnenbebrillter Mann an den Turntables sowie zwei Sängerinnen. Frontmann Speech kam dann kurz darauf und gleich mit drei Stücken vom neuen Album wurde der Auftritt begonnen. Dabei zeigte sich sofort, dass die Leute gekommen waren, um eine Party zu feiern, es wurde getanzt und auch bereitwillig die typischen "Say Oh yeah!"-Spielchen mitgemacht. Da dabei aber Speech ständig so unglaublich charmant grinste und auch die beiden Damen reichlich Feuer im Blut hatten, wirkte das Ganze nicht leblos abgespult, sondern eben ansteckend. Und als dann Tennessee als erster Klassiker gespielt wurde, war endgültig gute Laune im ganzen Bahnhof ausgebrochen. Im folgenden mischten sich immer wieder alte Songs wie Mr. Wendal oder Ease Your Mind mit den neuen, wurde das Tempo mit den funkigen Fishin' 4 Religion oder Mama's Always On Stage angezogen, ehe es mit Greener oder The World Is Changing wieder mellower wurde, wobei ein sehr homogener Gesamteindruck entstand und man die fast 20 Jahre zwischen den Liedern kaum merkte. Zur Zugabe durften zunächst Bass und Gitarre etwas jammen, bevor die Band vorgestellt wurde und People Everyday das große Finale unter einen rundum gelungenen Auftritt mit gut 95 Minuten Spielzeit bot. Danach schüttelten die Musiker noch reichlich Hände und bedankten sich so auf ihre Weise dafür, dass sie auch nach so vielen Jahren immer noch ein wenn auch kleineres Publikum begeistern konnten.
Und wieder bestätigte sich mein Eindruck, dass Hip Hop (zumindest mit) am meisten dann Spaß macht, wenn eine Liveband auf der Bühne steht und nicht nur "two turntables and a microphone". Das war vor Jahren schon bei The Goats oder den Fugees und natürlich den Beastie Boys so und bestätigte sich an diesem Abend erneut.